STATION C

Ev. Gnadenkirche

 

Die Ausgangslage

Vor dem zweiten Weltkrieg (1939) lebten in Gescher nur etwa 25 Mitbürger evangelischen Glaubens. Durch die Aufnahme Vertriebener aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wuchs die Gemeinde ab Ende 1945 sprunghaft stark an. Die Gottesdienste fanden anfangs in den Privaträumen der Familie Hüesker an der Hauptstraße statt - eine großartige Geste und Hilfe von Frau Ottilie Hüesker. Später diente dazu die Aula der von-Galen-Schule. Bereits 1946 gab es erste Überlegungen zur Errichtung eines eigenen Kirchenraumes.

Die Planung

Erst ab dem Jahre 1950 wurden diese Pläne konkreter. Die Kirchenleitung bat den Architekten Otto Bartning, die zeitnahe Realisierbarkeit einer „Diasporakirche“ prüfen zu lassen. Bei diesem von Bartning entwickelten Gebäudetypus in Holzbindertragwerk handelte es sich um Serienanfertigungen, die unter Mithilfe der örtlichen Gemeindemitglieder eine kostengünstige und zügige Erstellung funktional und gestalterisch ansprechender Räumlichkeiten ermöglichten.

Die Realisierung

Die neue Kirche mit sieben Achsen bot 310 Gläubigen Platz. Die Finanzierung des Vorhabens gelang durch umfangreiche Eigenleistungen und Spenden der noch jungen Gemeinde sowie durch Unterstützung der Stiftung des Lutherischen Weltbundes in Verbindung mit der westfälischen Diasporahilfe. Die kleine Glocke in dem Firsthäuschen stiftete die Glockengießerfamilie Hüesker. 1952 erfolgte im Juni, zwei Wochen nach dem ersten Spatenstich, die feierliche Grundsteinlegung. Schon im November konnte die Kirche im Rahmen eines Festaktes eingeweiht und der Gemeinde übergeben werden. Seit 1994 steht die ev. Gnadenkirche als besonderes Beispiel für protestantischen Kirchenbau der Nachkriegszeit unter Denkmalschutz. 2001 wurde sie durch einen Anbau zum Gemeindezentrum erweitert.

Otto Bartning, 1883- 1959, Architekt der evangelischen Gnadenkirche

einer der führenden Vertreter moderner Architektur in Deutschland.
» Zusammenarbeit mit Walter Gropius im Bauhaus
» 1926-1930 Leiter der Staatlichen Bauhochschule in Weimar
» von 1949-58 Präsident des Bundes Deutscher Architekten

Neben zahlreichen Kirchenbauten schuf er mehrere bedeutende Wohnbauprojekte (Siemensstadt von 1926 - 29) im Großraum Berlin.

Villa Hüesker
Grundriss
Grundsteinlegung
Ottilie Hüesker
Schnitt
Fertigstellung
1. Pfarrer - Fritz Naumann
Otto Bartning (1915 u. 1955)
Aktives Gemeindeleben auch heute

FLUCHT UND VERTREIBUNG

 

Flucht und Vertreibung - neue Heimat im Westen

Infolge der Kriegswirren des 2. Weltkrieges kam es in Osteuropa, speziell aber in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, zu einer gänzlich neuen Aufteilung und Verschiebung der bis dahin bestehenden Staatsgebiete und Grenzen. Etwa 12 Mio. Menschen waren durch Vertreibungen gezwungen, ihre Heimat in Ober- und Niederschlesien, in Ost- und Westpreußen, im Sudetenland zu verlassen, um als Flüchtlinge im Westen und in der Mitte Deutschlands eine neue Bleibe zu finden. Auch für Gescher ergab sich die schwere Aufgabe, die ab Heiligabend 1945 hier eintreffenden Vertriebenen unterzubringen. Die Zahl der Flüchtlinge aus den Ostgebieten, die in Gescher eintrafen, wuchs bis 1951 auf 1800 Personen an. Es kam zeitweise zu einer nie gekannten Wohnungsnot im Ort. Eine gewaltige Herausforderung für das Gemeinwesen! Die Neuankömmlinge wurden fortan vor allem in den Bauernschaften, dort in Kellern, Stallungen auf Dachböden oder ähnlichen Räumlichkeiten untergebracht. Noch Ende 1951 lebte fast die Hälfte der in Gescher angekommenen Vertriebenen in solchen Notunterkünften.

Groß angelegter Siedlungsbau zur Behebung der Wohnungsengpässe

Die Wohnungsnot führte auf Initiative des damaligen Amtsdirektors Dr. Mösenfechtel 1949 zur Gründung einer gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft. An mehreren Stellen in Randlage der bisherigen Siedlungsflächen entstanden Neubauten, die vor allem den „Neubürgern aus den Ostgebieten“ eine neue Bleibe und Heimat(?) ermöglichten. Die Schwerpunkte dieser Siedlungstätigkeit lagen am Borkener Damm, am Schultenrott, im Bereich Venneweg und Fabrikstraße sowie im Quartier Eichenweg / Finkenweg.

Die Entwicklung der evangelischen Gemeinde in Gescher

Trotz des anfangs nicht immer leichten Zusammenlebens zwischen den evangelischen und katholischen Christen in Gescher entwickelte sich die junge ev. Gemeinde langsam aber stetig, was zahlreiche eigene Infrastruktureinrichtungen eindrucksvoll belegen:

1955 Albert-Schweitzer-Schule
1961 Pfarrhaus
1972 Gemeindehaus in Hochmoor, ab 1977 Nutzung auch als Jugendzentrum
1997 Kindergarten „Garten Gethsemane“ am Stadtpark, 2001 Gemeinderäume an der Gnadenkirche

Der evangelischen Kirchengemeinde in Gescher und Hochmoor gehören Anfang 2019 circa 1880 Gläubige an.

Auf der Flucht nach Westen
Amtliche Verhaltensregeln 1946
Bescheidene Zwischenunterkunft
Amtsdirektor Dr. Mösenfechtel
Unterbringung beim Bauern
„Schlesische Hochzeit“ in neuer Heimat
Einfachster Siedlungsbau am Westfalenring und…
… an der Droste-Hülshoff-Straße
Siedlungsbau nahe Bahnhof
Neues Wohnen am Schultenrott

der Stadtpark

 

Der Stadtpark

Schon 1959 gab es erste Überlegungen zu einer großzügigen Grünanlage zwischen historischem Ortskern und neuen südlichen Siedlungsgebieten.

Im damaligen Förderantrag der Gemeindeverwaltung an die Bezirksregierung war zu lesen:
„Die Anlegung ist dringend notwendig, weil infolge einer regel- und planlosen Bebauung in der Vergangenheit keine nennenswerten Grünflächen vorhanden sind. Die Schaffung einer zentralen Grünfläche ist deshalb die einzige Möglichkeit zu einer Verschönerung des Ortsbildes.

“ Der Landschaftsarchitekt Ulli Gerdes aus Worpswede entwickelte 1968/69 die Planung aus Stilelementen einer seinerzeit durch Gartenschauen und Kurbädern geprägten Freiraumarchitektur. Im Sommer 1970 konnte sich die Bevölkerung in der attraktiven Grünanlage erstmals an Rosenlauben, den begrünten Pergolen und Sitzecken zwischen unterschiedlich bepflanzten Hochbeeten erfreuen. Die zentrale Wasserfontäne und Wasserspiele in einem Schwanenteich galten als große Besonderheiten der Parkanlage, exotische Gehölze gaben ihr eine außergewöhnliche Note. Der Park wurde bald ein gern genutzter Treffpunkt. 20 Jahre später konnte die Stadt die Kosten für intensive Pflege des Grüns und Unterhaltung der Technik nicht länger tragen. Gehölze überwucherten die Freiräume, Lauben verfielen, Wasserspiele und zentrale Fontäne wurden aufgegeben und das Wasserbecken wurde zu einem Sandkasten umfunktioniert. Großgeräte (Skateranlage, Streetballfeld, Seilbahn) verwandelten den Park danach in einen Spieltreff für Kinder und Jugendliche.

1997 stellte die Stadt Gescher der evangelischen Kirchengemeinde einen Teilbereich für den Bau des Kindergartens Gethsemane zur Verfügung, dieser wurde 2013/14 nochmals erweitert. 2010 überlegte man, den Park unter Mitwirkung von Vereinen und engagierten Bürgern in einen Generationenpark umzuwandeln. Einige Bestandteile dieser Planung (Freischachanlage, Boule-Bahn, Beachvolleyballfelder, Bücherschrank und eine neue LED- Wegebeleuchtung) konnten durch private Initiativen und mit Hilfe von Sponsoren aus Stadt und Region umgesetzt werden. Für einen Teil der Flüchtlinge, die in Gescher unterzubringen waren, stellte die Stadt 2016 den nördlichen Teil der Parkanlage für den Bau einer zentralen Wohncontaineranlage bereit. Es bleibt abzuwarten, welche Entwicklung der Stadtpark in Zukunft nehmen wird.

Gescher Mitte der 1950er Jahre
Vom Wiesengelände…
…zur Parkanlage
Schwanenteich um 1975
Teichanlage und Rosenlaube
Entwurf für den Stadtpark
Idylle für Jahrzehnte