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Die Glockengießerei

 

Die Glockengießerei – traditionelles Handwerk von Weltruf Die Herstellung von Bronze, die schon vor 5000 Jahren nachweisbar ist, bezeugt großes metallurgisches Wissen und handwerkliche Kreativität. Diese Legierung ist härter und beständiger als reines Kupfer. Die Bezeichnung „Bronze“ stammt aus dem Orient und gelangte im 17. Jahrhundert über Italien zu uns. Keimzelle des hiesigen Betriebes war die um 1690 von Jean Francois Petit in Lothringen gegründete wandernde Werkstatt. 1787 goss Alexis Petit d. Ä. in Gescher für St. Pankratius eine Glocke um.

Der Urenkel des Firmengründers, Alexius Petit d. J., ließ sich 1806 in Gescher nieder und heiratete Theodora Catherina Edelbrock. Man wohnte bereits im heutigen Stammhaus, Hauptstraße 5. Der Betrieb lag auf der Rückseite zur Hofstraße hin. In der ortsfesten Werkstatt mit Glockengrube und Schmelzofen gelangen eine deutliche Qualitätsverbesserung und eine wirtschaftlichere Fertigung der Glocken im traditionellen Lehmformverfahren.

Nachdem die Neffen der Eheleute, die Gebrüder Josef und Wilhelm Edelbrock, ins Geschäft einstiegen, trug dies den noch heute gebräuchlichen Namen Petit & Gebr. Edelbrock. Die Gießerei wurde in der Folgezeit mehrfach erweitert und technisch optimiert. Glockenbronze besteht zu 78 % aus Kupfer und 22 % Zinn und wird mit ca. 1100° C verarbeitet. Die heutige Glockengrube mit einem 13 Tonnen „Glockenspeise“ fassenden Schmelzofen entstand 1925. 1935 übernahm Hans Hüesker die Leitung des Familienbetriebes. Dieser besteht heute in der 12. Generation. Eigene Schlosser und Schreiner fertigen und warten Glockenstühle, Armaturen, Schallblenden und Turmuhren.

Durch Zerstörung oder Einschmelzung in den beiden Weltkriegen wurden bis 1945 zahlreiche Glocken in Deutschland vernichtet. Der große Bedarf an neuen Glocken machte die 1950er Jahre zu den erfolgreichsten der Firmengeschichte.

Seit den 1960er Jahren gewann der Kunstguss an Bedeutung. Heute stellt die Gießerei für zahlreiche renommierte Künstler Auftragsarbeiten in Bronze, Messing und Aluminium her. In Gescher stehen die Plastiken „Torfstecher“ (Hochmoor) und „Wurstaufholer“(Hauptstraße). Glocken aus Gescher klingen in der ganzen Welt, sogar bei Sitzungen im deutschen Bundestag. Geläute findet man u.a. in den Domen zu Aachen, Limburg, Billerbeck, Lindenberg (Allgäu), im Rathaus in Kopenhagen und in vielen Ländern Europas und in Übersee.

Die heutige Glocken- und Kunstguss-Manufaktur bewahrt in den langwierigen Fertigungsprozessen das viele Jahrhunderte alte traditionelle Handwerk. Das erfährt man sofort, wenn man, etwa im Rahmen einer Führung, die Atmosphäre dieser Werkstatt erlebt. Weiteres erfahren sie unter
www.petit-edelbrock.de.

Abtransport im 1. Weltkrieg
Hoher Glockenbedarf nach 1945
Glockenauslieferung per Bahn
Lehmformen in der Grube
Anheizen des Schmelzofens
Der große Moment – der Guss
Kunstguss verschiendenster Art
Glockenstuhlfertigung
Firmenwappen
Die Papstglocke

Die Nachbarschaften

Die Nachbarschaften

Die Nachbarschaften spielen in Gescher schon seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Vorläufer waren wohl die geschichtlich wichtigen sechs Rottbezirke, die zwischen dem 15. Jahrhundert bis etwa 1803 existierten, angeführt von sog. Rottmeistern. Diese hatten damals, im Gegensatz zu den späteren Nachbarschaften, sogar Selbstverwaltungsaufgaben im Ort zu erfüllen. Die Namen der Rottbezirke finden sich noch in einigen Bezeichnungen der ältesten Nachbarschaften wieder. Unter anderem Namen wie Herrenhook, Up‘n Huskamp, In‘t Armland, De Apostelen, Up‘n Friehoff oder Pastoreneck. Die älteste Nachbarschaft in Gescher ist der „Gantenhook“ - Gründungsjahr 1805.

Die Nachbarschaften fungierten von Beginn an vorrangig als Hilfsgemeinschaften. Anfangs hatte jedes Haus fünf oder sechs „Notnoabers“. Die Nachbarschaftshilfe erstreckte sich dabei auf viele Bereiche des täglichen Miteinanders. Man half sich bei Geburten, Sterbefällen, bei der Durchführung von Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Familienfesten, aber auch beim Hausbau und bei der Brandbekämpfung.

Die gegenseitige unentgeltliche Hilfe war wichtiger Bestandteil des Gemeindelebens. Die Pflichten und Rechte der Nachbarn waren in Statuten vorgegeben. Bei Zuwiderhandlungen wurden Strafen in Geld oder anfangs in Naturalien verhängt. Neben diesen Pflichten kam aber der Geselligkeit, besonders den jährlichen Karnevalsfesten, eine große Bedeutung zu. Auch deshalb, weil bei diesen feuchtfröhlichen Zusammenkünften die bis dahin aufgelaufenen Strafzahlungen zu begleichen waren.

Aus der überschaubaren Anzahl des 19. Jahrhunderts hat sich in Folge einer ständigen Ortsentwicklung bis heute die Zahl der Nachbarschaften auf über achtzig – davon elf im Ortsteil Hochmoor – vergrößert. Die erwähnten Statuten wurden dem Zeitgeist und den aktuellen Notwendigkeiten entsprechend angepasst, da viele der früheren Aufgaben inzwischen durch diverse Dienstleister (z. B. Pflegedienste) erbracht werden.

Somit ist das Leben in der Nachbarschaft heute eher durch Pflege der Geselligkeit, durch Verbundenheit zum Heimatort und durch die Bewahrung alter Sitten und Gebräuche geprägt. Viele Nachbarschaften, inzwischen oft aus zwanzig bis siebzig Haushalten bestehend, werden von einem Präsidenten, vielfach auch von einer Präsidentin, geleitet; bei Bedarf werden sie durch einen Vorstand unterstützt.

Die Gesamtheit der Gescheraner Nachbarschaften hat als obersten Repräsentanten einen Oberpräsidenten. Dieser lädt die Vertreter der Nachbarschaften einmal im Jahr zur „Präsidentenversammlung“.

Auszüge von Nachbarschaftsstatuten 1960
Die Nachbarschaftspumpe
Hilfe bei Familienfeiern
Karneval „Amsterdamer Poate“
Sommerfest „Feldschulten“ 1962
Kinderschützenfest „Kattenborg“
Nachbarschaftstreffpunkte
Ökumenischer Gottesdienst

Siedlungsentwicklung

Siedlungsentwicklung

Schon 1932 hatte die Gemeinde einen richtungsweisenden Leitplan erstellt. Dieser war die Grundlage für eine umfassende Grundstücksneuordnung im Ort, die aber erst 1953 zum Abschluss gebracht werden konnte.

Radial und zentral auf den Ortskern ausgerichtete Straßenzüge schafften Entlastung im Zentrum sowie leistungsfähige Erschließungen und zahlreiche attraktive Bauflächen in neuen Gebieten. Dies war auch nötig, da die Gemeinde in den 1950er Jahren eine Wachstumswelle erlebte, die zeitweise sogar zu einer Wohnungsnot führte. Von 1940 bis 1950 wuchs der Ort durch Zustrom vieler Ostvertriebener und Evakuierter aus kriegszerstörten Städten des Ruhrgebietes um etwa 3000 Einwohner.

Die 1949 gegründete Gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft realisierte ab Beginn der 1950er Jahre zahlreiche neue Wohnquartiere. Diese Siedlungsanfänge sind noch heute u.a. am südlichen Venneweg, am Eichenweg, am Borkener Damm, am Schultenrott und im Ortsteil Hochmoor zu erkennen.

Von 1960 bis Mitte der 1980er Jahre entstanden im Norden des Ortskerns nach der Aussiedlung der zentrumsnah gelegenen Höfe Wening und Ebbing planmäßig erstellte große Wohnquartiere. Erst Mitte der 1990er Jahre wurde die zentrumsnah gelegene „Blenkers Wiese“ bebaut. Das Quartier erhielt den Namen des früher hier gelegenen „Grimoldinghof“. Die Bebauung von Freiflächen verdichtete die Stadt, verschiedene Areale der ehemaligen Textilindustrie (z.B. Greve, Paskert, Hagmann, Schweers) sind heute Wohnviertel.

Der Ort entwickelte sich schrittweise immer weiter nach Westen und Süden. Auch „Greves Wiese“ wurde in mehreren Abschnitten bebaut. Das Wohngebiet „An den Bachgärten“ liegt an einem ökologisch gestalteten Bachlauf mit üppigem Pflanzensaum.

Während das Berkeltal im Osten eine natürliche Siedlungsgrenze bildete, markierten im Laufe der Zeit die Umgehungsstraßen im Süden Richtung Niederlande (B 525) und im Westen Richtung Stadtlohn (L 608) die Siedlungsränder für die Wohn- und Gewerbeentwicklung von Gescher.

Im Zuge dieser Siedlungsentwicklung wurden dringend benötigte Einrichtungen für die Bildung (Schulzentrum, Bücherei), für den Sport und die Freizeit (Sportanlagen Borkener Damm und Ahauser Damm, Neubau Freibad), sowie für diverse soziale Aufgaben realisiert. Exemplarisch dafür stehen viele neue Kindertagesstätten und ein angemessenes Angebot an bedarfsgerechten Wohn- und Pflegeeinrichtungen für Senioren.

Gescher hat sich in den letzten 150 Jahren vom Straßendorf mit etwa 3800 Einwohnern zu einer Kleinstadt mit über 17000 Einwohnern entwickelt.

1953 – Außerhalb des Ortskerns nur vereinzelt Wohnungsbauaktivitäten
Fa. Hagmann – Fürstenkamp
Fa. Jagri – Amselweg / Jägerweg
Fa. Greve – Auf der Twente
Ab 1955 reger Kanalbau
Baugebiet Finkenweg
Ab 1960 kompakte Wohnhäuser
Positive Stadtentwicklung erforderte schon immer Investitionen in öffentliche Einrichtungen